Titandioxid: weitreichende Konsequenzen durch Einstufung
13.06.2017 | Am 8. Juni hat der Ausschuss für Risikobeurteilung RAC der Europäischen Chemikalienagentur ECHA beschlossen, eine Einstufung von Titandioxid als krebserregend Kategorie 2 (kann vermutlich bei Inhalation Krebs erzeugen) vorzuschlagen. Titandioxid wird in vielen lebensnotwendigen und nützlichen Prozessen und Produkten benötigt.
Keine eindeutigen Beweise
Ursprünglich hatte Frankreich eine strengere Einstufung als nachgewiesenermaßen krebserregend (Kategorie 1B - Kann Krebs erzeugen) vorgeschlagen, welche ein Verbot in Publikumsprodukten bedeutet hätte. Diesem Einstufungsvorschlag wurde aber auf Basis der vorliegenden Studien seitens des Ausschusses für Risikobeurteilung nicht gefolgt.
Aber aus Sicht der chemischen Industrie ist auch die vermutete krebserzeugende Wirkung nicht nachvollziehbar. Der französische Vorschlag stützt sich auf Studien an Ratten, die extrem hohe Konzentrationen an Titandioxid-Staub inhaliert hatten. Dies führte zu sogenannte „Lung Overload“-Effekten durch das Einatmen von Staubpartikeln. Diese sind jedoch keine Stoffeigenschaft von Titandioxid, sondern generell eine gesundheitsschädliche Wirkung von Staub. Es ist zu hinterfragen, ob eine solche Eigenschaft überhaupt Regelungsinhalt von CLP ist oder nicht durch den bereits existierenden, sehr strengen Staubgrenzwert im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ausreichend berücksichtigt wird.
Auswirkungen einer Einstufung
Der Einstufungszusatz „bei Inhalation“ bedeutet, dass schlüssig nachgewiesen werden konnte, dass bei keinem anderen Expositionsweg Gefahren bestehen. Daher gilt es jetzt, den Einstufungs-Automatismus zu unterbinden, der flüssige oder feste Produkte trifft. Von solchen Produkten wie Wandfarben, Kunststofffenstern, Sonnencremen, Kaugummis, Textilien oder Tabletten gehen keinerlei Gesundheitsschäden aus, da es zu keiner staubförmigen Exposition von Titandioxid in den Produkten kommt. Hier ist es nun wichtig, die Verunsicherung der Anwender durch eine Überkennzeichnung zu vermeiden.
Weltweite Verwendung
TiO2 wird seit rund hundert Jahren kommerziell eingesetzt und derzeit in Mengen von bis zu 10 Millionen Tonnen pro Jahr in Europa hergestellt oder verarbeitet. Zehntausende Arbeiter weltweit und Millionen Konsumenten kommen tagtäglich mit TiO2 in Kontakt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine krebserregende Wirkung von TiO2 bei einer solch weitreichenden Exposition bislang verborgen bleiben konnte.
Viele Branchen betroffen
Von einer Einstufung betroffen sind sämtliche Titandioxid enthaltende Produkte vom Speziallack bis zur Wanddispersion, aber auch ganz andere Bereiche wie Kunststoff-Fenster oder eben kosmetische Mittel wie Sonnenschutz, denn alle Sonnenschutzprodukte mit hohem Lichtschutzfaktor vertrauen auf die schützende Wirkung von Titandioxid. Titandioxid ist auch als Lebensmittelfarbstoff mit der Bezeichnung E171 zugelassen. Kaugummi-Dragees erhalten daraus ihre strahlend-weiße Hülle und auch viele Tabletten wären ohne das Pigment nicht weiß.